Zur Audienz bei der „Queen“ – WP-FDSM Zur Audienz bei der „Queen“ – WP-FDSM

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Zur Audienz bei der „Queen“

Etwas verborgen, in einem Hinterhof liegt im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen, ganz in der Nähe des Städel das Restaurierungsatelier von Diplom-Restauratorin Stephanie Wagner und Diplom-Restauratorin und Vergoldermeisterin Corinna Bohn.

Hier befindet sich seit September 2020 das aktuelle Spendenprojekt der Freunde des Schlossmuseum Darmstadt e.V., eine Kopie des Gemäldes von Franz Xaver Winterhalter von Alexander Melville: Portrait der Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819-1901).

Das Gemälde und der dazugehörige Rahmen hatten durch den Transport und die Auslagerung im Zweiten Weltkrieg und den unsachgemäßen Umgang nach Ende des Krieges erhebliche Beschädigungen erlitten. Dank Unterstützung unserer Mitglieder und einzelner Sponsoren ist es möglich, Gemälde und Rahmen restaurieren zu lassen. Nach der erfolgreichen Restaurierung wird das Portrait im Schlossmuseum in Darmstadt seinen festen Platz in der neu konzipierten Dauerausstellung bekommen.

Allzu gerne hätten wir im Rahmen einer Exkursion nach Frankfurt unseren Mitgliedern einen Einblick in die Restaurierung des Gemäldes „Queen Victoria“ und des dazugehörigen Rahmens angeboten. Leider hat uns die Corona Pandemie, zumindest vorübergehend, einen Strich durch unsere Aktivitäten gemacht. Aufgrund der geltenden Vorschriften und Hygieneregeln konnten wir den bereits geplanten Besuch, für unsere Mitglieder und Unterstützer leider nicht realisieren. Um trotzdem einen Einblick in den Fortgang der Restaurierung zu ermöglichen, hatten sich kurz vor Weihnachten zwei Mitglieder des Vorstands zu einer Besichtigung auf den Weg nach Frankfurt gemacht, um über den derzeitigen Stand mit einem kurzen Bericht und Bildern hier auf unserer Website zu informieren.

Gemälde und Rahmen werden getrennt bearbeitet.

Arbeiten am Gemälde

Das Gemälde wurde zunächst vom oberflächigen Schmutz befreit und dann der vergilbte Firnis abgenommen.

Der Rand der Gemäldeleinwand ist an manchen Stellen eingerissen und wird mit Leinwandstreifen hinterlegt. Die gravierendsten Beschädigungen an dem Gemälde sind allerdings die Risse in der Bildfläche selbst. Teilweise fehlen ganze Leinwandstücke, die sich, sofern nur der Hintergrund davon betroffen ist, relativ einfach ergänzen lassen.

Größeren Aufwand bereitet die Schließung der Risse. Das Gemälde war durch die jahrelange und sicher nicht immer sachgemäße Lagerung Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt. Da das Gemälde auf dem Keilrahmen aufgespannt blieb, hat sich die Leinwand unweigerlich verzogen und die Risse können nicht einfach wieder aneinandergefügt werden. Die Leinwand würde sich beim Zusammenfügen wellen. Mittels rückseitiger Befeuchtung der Leinwand und Planieren mittels Gewichten wird deshalb versucht die verzogene Leinwand wieder in Form zu bringen.

Kleinere Risse, die von dieser Problematik nicht betroffen sind, wurden bereits mit einer punktuellen Fadenverklebung rückseitig geschlossen. Vorderseitig werden die Fehlstellen dann später noch gekittet und retuschiert. Da die Leinwand des Gemäldes beim späteren Spannen auf den Keilrahmen wieder unter Spannung gebracht wird, wird zur Stabilisierung und zum Schutz des restaurierten Gemäldes eine zusätzliche Leinwand hinterspannt werden.

(Zur Vergrößerung des Bildes, auf das jeweilige Bild klicken.)

Da sich auf der Rückseite der Leinwand eine Inschrift zur Provenienz des Gemäldes befindet, soll diese weiterhin sichtbar bleiben.

H.R.H. the Princess Alice, formerly the Property of H.R.H. the late Duchess of Kent (from Clarence House) Melville (after) F.Winterhalter 1843.

Die Inschrift gibt Auskunft über die Vorbesitzerin des Gemäldes, Mary Louise Victoria, Princess of Saxe-Coburg-Saalfeld, Duchess of Kent; (1786 – 1861) die Mutter von Queen Victoria und Großmutter der späteren Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein, geb. Prinzessin von Großbritannien. Für die Duchess of Kent wurde es wahrscheinlich im Auftrag von Queen Victoria als Kopie der als Geschenk an König Louis Philipp nach Frankreich gegangenen Zweitversion des Staatsportraits von 1842 in Auftrag gegeben und hing zeitweise wohl in Clarence House, dem Wohnsitz der Königin Mutter Mary Louise Victoria in London.

Restaurierung des Rahmens

Der Rahmen ist, nachweislich einer Fotographie des Gemäldes von 1863 aus dem Prinz Carl-Palais in Darmstadt, der Originalrahmen zum Gemälde. Ein Aufkleber des königlichen Rahmenherstellers aus London „W. Thomas“ auf der Rückseite verweist auf den Hersteller des Rahmens.  

Stilistisch ist der Rahmen den typischen Formen des Neobarock der zweiten Hälfte des 19. Jhd. zuzuordnen. Die Art der Ausführung setzt sich allerdings von vergleichbaren Rahmen der Zeit ab, die Qualität der Ausführung zeigt sich in der Schärfe der Ornamentik und der Technik der Vergoldung. Auch hat er durch den Transport und die schlechte Lagerung stark gelitten. Insbesondere die in Masse gearbeiteten Eckornamente sind stark beschädigt.

Die Grundkonstruktion des Rahmens besteht aus Holz. Die Ornamente sind nicht geschnitzt, sondern aus Vergoldermasse (Mischung von Leim, Kreide und Kollophonium), in Negativformen eingedrückt hergestellt und auf den Holzrahmen aufgeleimt. Zunächst werden die beschädigten oder abgesplitterten Teile des Holzrahmens in Holz ergänzt. Um die fehlenden Ornamente zu ergänzen, wird Corinna Bohn mit Silikonmasse Abdrücke der noch vorhandenen Ornamente nehmen und mit den dadurch entstandenen Negativformen die fehlenden Ornamente passgenau in Vergoldermasse nachfertigen. Die Ornamente werden anschließend auf den Rahmen aufgeleimt und nachgearbeitet. Nach weiteren Arbeitsschritten und mehrfachem Schleifen wird anschließend eine Grundierung, der sog. Bolusgrund aufgetragen. Zum Schluss werden die Ergänzungen vergoldet, mit Achaten poliert, mattiert und eingetönt und so der historischen Farbgebung des Rahmens angepasst.

Wir danken Frau Bohn und Frau Wagner, dass sie sich so kurz vor Weihnachten noch die Zeit genommen haben uns ausführlichen Einblick in die Restaurierung und Erläuterungen zu ihrer Arbeit zu geben.

Wir freuen uns und sind schon gespannt auf unseren nächsten Besuch bei der Queen. Dann auch sicherlich wieder in größerer Runde!